Linus bekamen wir völlig überraschend und ungeplant. 1996 an einem Montag schneite in die Tierarztpraxis, in der ich arbeitete eine Kundin herein. Mit ihr, die Nichte, ein Yorkie Welpe, zwei Westie Welpen, ein erwachsener Westie und ein Jack Russel Terriere Welpe.
Sie hatte für ihre Nichte einen Welpen bei einem Hundehändler bestellt, als der mit einer ganzen Ladung Welpen im Kofferraum vorfuhr, konnte sich ihre Nichte nicht entscheiden und sie kaufte kurzerhand alle Welpen!
Man kann sich vorstellen, was für ein Tohuwabohu in der Wohnung geherrscht haben muss, mit 7 herumwuselnden Welpen.
Wie allgemein bekannt ist, entwurmen Händler ihre Welpen nicht, in der Wohnung waren 7 junge Hunde und alle mit mehr oder weniger schwerem Durchfall. Einer verstarb nach ein paar Tagen, die anderen sorgten mit Gestank und der Bellerei, für einen Aufstand der Mitbewohner, in diesem Haus. Durch das eingeschaltete Veterinäramt, wurde der Druck auf die Frau so hoch, dass sie einen Teil der Hunde verkaufte, mit den restlichen Welpen kam sie in die Praxis.
Darunter war Linus, eingesperrt in einen Plastikwäschekorb, von Kopf bis Fuß mit Durchfall beschmiert, auf einem vom Durchfall nassen Kissen sitzend. Linus sollte laut ihrer Aussage aggressiv sein und eingeschläfert werden, weil er Parvovirose haben sollte. Herr Dr. Volz weigerte sich, den Zwerg einzuschläfern, zumal Parvovirose therapierbar ist. Da der Dame die Kosten für die Behandlung zu hoch waren, ging Linus damit in den Besitz der Praxis über.
Mein erster Kontakt mit dem kleinen Wurm bestand darin, dass ich ein unterernährtes über und über mit Durchfall beschmiertes Hundekind aus einem Wäschekorb heraushob. Unsere erste Handlung war, den kleinen Zwerg zu waschen und ihn erstmal zu füttern, er hatte keine Parvovirose, sondern war total verwurmt und hatte Einzeller im Stuhl.
Es stellte sich schnell heraus, dass Linus mit den Menschen abgeschlossen hatte. Nahmen wir Kontakt auf, verkroch er sich oder drehte sich sofort auf den Rücken. Wahrscheinlich hatte er in seinem Wäschekorb ordentlich Krach gemacht und dafür dann immer eine Abreibung verpasst bekommen. Die erwachsene Hündin der Frau hatte ihm zusätzlich noch ein paar ordentliche Schrammen im Gesicht verpasst.
Mittwochs durfte Linus die Praxis verlassen und in sein neues Zuhause einziehen. Jetzt begann die Zeit der Resozialisierung für den kleinen Mann. Wir mußten ihm alles beibringen, er kannte kein Gras, keine Menschen und hatte panische Angst vor Hunden. Glücklicherweise adoptierte Zerra, die Schäferhündin einer Freundin Linus und führte ihn wohlbehütet in die Welt der Hunde ein.
Am wichtigsten war es jedoch, Linus so viel Liebe und Geborgenheit wie möglich zu geben. Allmählich verlor sich seine Unsicherheit und er wurde zu Dickie Hoppenstätt, der ein umtriebiger und freundlicher Westie war.
Seine Spezialität war Buddeln was das Zeug hält und stundenlang spazieren gehen oder besser spazierenschnüffeln. Hunde und Menschen brachten ihn dann nur noch selten aus der Fassung.
Es ist 16 Uhr, ein Mittwoch 2006 und wir sind wieder an den Ort der ersten Begegnung gekommen, diesmal um Linus loszulassen. Ich war die Erste, die ihn in dieser Praxis in den Händen hielt und ich wede heute die Letzte sein, die ihn halten wird. Neben mir steht meine Mutter, ganz fassungslos darüber, dass wir gerade diesen Schritt tun. Es geht nicht mehr, der Krebs hat zugeschlagen und es wäre reiner Egoismus zu warten und ihn länger leiden zu lassen.
-Und mein Herz wird so schwer, weil es mir so leid tut, dass Linus jetzt so Angst hat und gleichzeitig so unglaublich brav ist. Er war schon immer ein unglaublich netter kleiner Hund und ich bin so sauer, weil es ausgerechnet ihn trifft, weil wir ihn schon jetzt gehen lassen müssen.
Was für ein Cocktail in mir, in meiner Mutter, in unserem Arzt, der ihn sein ganzes Leben lang begleitet hat und in unserem kleinen Schnurzel.
Diese Mittel wirkt viel zu schnell, ich würde alles geben, könnte ich mehr Zeit mit ihm haben. Mein Verstand sagt mir, er wird nur körperlich nicht mehr da sein, Linus wird für immer ein Teil von uns bleiben. -Und mein Gefühl sagt mir, wir werden ihn nicht mehr sehen, wenn er durch den Schnee robt und dabei fröhlich vor sich hin grunzt, wir werden ihn nicht mehr berühren können.
Es wird lange dauern, bis dieser Verlust nicht mehr überwiegt und wir Frieden schließen werden mit dem Tod. Erst dann kommen diese Momente, die diesen kleinen Hund wieder lebendig werden lassen, wenn wir über ihn sprechen und dabei all die Bilder von ihm anklingen werden, ein warmer Widerschein in unseren Herzen von diesem Hund. Beim Erzählen seiner Geschichten, dann ist er wieder da in und um uns.
Kleiner Mann........